Sprache und Religion – ein Kernthema

Wovon sprechen Religionen, wenn sie vom Religiösen sprechen? Sprechen sie alle von ein und demselben? Sprechen sie jeweils von etwas anderem? Sprechen sie auf verschiedene Weisen – oder sprechen sie nur in verschiedenen Sprachen? In der Religion weist die Sprache über sich selbst hinaus; in der Sprache muss sich Religion immer auch ausdrücken können. Ob und inwieweit Sprache die Religion beeinflusst, wo umgekehrt die Religion Einfluss auf die Sprache ausübt, ob Religion als solche eine Sprache ist und inwieweit die Sprache auch Religionsersatz sein kann, damit beschäftigen sich Religionswissenschaftler, Philosophen und Linguisten seit langem. Rudolf Hoberg, deutscher Sprachwissenschaftler und ehemaliger Vorsitzender der Gesellschaft für deutsche Sprache, über das Thema „Sprache und Religion“:

 

„... es ist unstrittig, dass Sprache nicht nur Kommunikationsmittel ist, sondern auch menschliches Wahrnehmen, Denken, Fühlen, Wollen und Handeln – wie auch immer – beeinflusst. Theologie ist immer und Religion wohl auch immer an Sprache gebunden, und zwar nicht nur in dem Sinne, dass es dabei um Sprechen (und Schreiben), Hören (und Lesen) geht, sondern auch deshalb, weil sich Nachdenken über Religion und jede religiöse Praxis nicht losgelöst von Sprache vollzieht. Aber es ist auch die Frage von Bedeutung, ob und inwiefern es eine Religion ohne Sprache, eine Religion des Schweigens gibt. Vor allem durch die ‚Neuentdeckung‘ der Mystik, der Ignatianischen Exerzitien, durch Zen und andere Einflüsse östlicher Religionen, durch verschiedene Formen der Meditation hat sich eine neue Kultur der ‚Sprachlosigkeit‘, des Schweigens und der Stille entwickelt. Gegen die etablierte Theologie und die vorherrschende religiöse, besonders auch liturgische Praxis der Kirchen wird behauptet, mit ‚Gott‘, dem ‚Göttlichen‘, dem ‚Urgrund‘ könne man nur oder vor allem in Verbindung treten, wenn auf Sprache, auf Worte verzichtet werde. Das aber führt zur Frage, ob Menschen, die Sprache besitzen, überhaupt etwas völlig ohne Sprache wahrnehmen, denken oder tun können und ob nicht zumindest das Nachdenken und die Kommunikation über die ‚Sprachlosigkeit‘ und das Schweigen auf Sprache angewiesen ist.“

 

Quellen: Sprachen der Religion, Florian Uhl / Artur R. Boelderl; Sprache und Religion, Rudolf Hoberg / Uwe Gerber

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